Hochschule Düsseldorf
University of Applied Sciences
Fachbereich Sozial- & Kulturwissenschaften
Faculty of Social Sciences and Cultural Studies

​​​​​Dissertation

Diasporapolitik in Sub-Sahara Afrika
Eine Politikfeldanalyse auf Basis der Fallbeispiele Ghana und Kamerun

Veröffentlicht unter
https://duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00070942


Betreuer: Prof. Dr. Walter Eberlei (Hochschule Düsseldorf), Prof. Dr. Tobias Debiel (Universität Duisburg-Essen)

Die Bemühungen von Regierungen, mit ihren Bürger_innen im Ausland im Kontakt zu bleiben, drücken sich in Diasporapolitik aus. Unter Diasporapolitik werden alle staatlichen Institutionen und Praktiken, die auf Bürger_innen im Ausland zielen, zusammengefasst. Es ist eine Zunahme diasporapolitischer Maßnahmen in Subsahara-Afrika zu beobachten. Allerdings ist über die politischen Interessen, die den Maßnahmen zugrunde liegen, wenig bekannt.
Hier setzt die vorliegende Dissertation an. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge innerhalb des Politikfeldes zu entwickeln. Es wird die Frage beantwortet, mit welchen Faktoren die Diasporapolitik beschrieben und erklärt werden kann.
Die Dissertation umfasst einen strukturiert fokussierten Vergleich der Politikfeldanalysen der beiden Fallbeispiele Kamerun und Ghana. Dabei erhalten die beiden zentralen diasporapolitischen Maßnahmen der Doppelten Staatsangehörigkeit und des Auslandswahlrechts besondere Aufmerksamkeit. Kameruns und Ghanas Diasporapolitik unterscheiden sich darin, dass Ghanas Diasporapolitik in gewissem Sinne weiter entwickelt ist und auch Maßnahmen umfasst, die auf die sogenannte „alte afrikanische Diaspora“ zielen.
Die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen, dass Diasporapolitik erklärende Faktoren hauptsächlich in den politisch-institutionellen Rahmenbedingungen – der Polity – zu verorten sind. Transitions- und Demokratisierungsprozesse spielen eine entscheidende Rolle für Diasporapolitik, woraus Unterschiede zwischen autoritären und demokratischen Staaten entstehen.
In erster Linie geht es Regierungseliten darum, ihre Macht zu sichern und die Unterstützung der Bürger_innen im Ausland für sich zu erlangen – dieses gilt sowohl für demokratische als auch autoritäre Regime. In autoritären Systemen prägen und beschränken allerdings Vorbehalte gegenüber politischer Beteiligung sämtlicher gesellschaftlicher Gruppen die Zusammenarbeit mit Bürger_innen im Ausland. Eine Inklusion der Migrant_innen durch eine aktive Diasporapolitik wird nicht gefördert und die Regime zielen mit der Diasporapolitik auf Segmente der Diaspora ab, die das bestehende System nicht gefährden. Diasporapolitische Maßnahmen werden auch dazu instrumentalisiert, nach außen hin eine Offenheit zu demonstrieren, die de facto nicht gegeben ist.
Im Hinblick auf Akteurskonstellationen zeigt sich, dass während in autoritären Systemen die politische Machtelite Diasporapolitik dominiert und anderen Akteuren kein Raum bleibt, sich durchzusetzen, im Rahmen demokratischer Transitionsprozesse Parteidifferenzen in der Ausgestaltung der Diasporapolitik an Bedeutung gewinnen. Politische Parteien konkurrieren um die Gunst der Bür-ger_innen im Ausland und nutzen elitäre Netzwerke mit Diasporamitgliedern für sich. Daneben können in demokratischen Systemen andere Akteure einen größeren Einfluss im Politikfeld ausüben. Je demokratischer das politische System ist, desto stärker können Migrant_innen durch ihre aktive Mitgliedschaft in den Parteien im Ausland oder durch gezielte Lobbyaktivitäten Einfluss auf die Politik ihrer Herkunftsländer ausüben.
Ihr Einfluss ist darüber hinaus von der nationalen Fragmentierung und der damit zusammenhängenden Stärke sowie auch von der Vernetzung mit Akteuren im Herkunftsstaat abhängig.
In dieser Untersuchung wird deutlich, dass durch Rückkehr Verbindungen zwischen Bürger_innen im Ausland und der politischen Elite eines Landes entstehen, dadurch, dass Rückkehrer_innen wichtige politische Ämter bekleiden. Rückkehrer_innen bilden somit eine zentrale Schnittstelle zwischen Diasporapolitikgestaltung und den Bürger_innen im Ausland. Es kann somit aus den Ergebnissen der Fallstudien geschlussfolgert werden, dass je stärker Rückkehrmigration stattfindet, desto stärker die Impulse im inneren der politischen Systeme für eine aktivere Diasporapolitik werden.
Ein weiteres Ergebnis dieser Dissertation verdeutlicht, dass wenn durch Staaten entsprechender politischer Raum geöffnet wird, die Internationale Organisation für Migration eine zentrale Rolle in der (inhaltlichen) Ausgestaltung von Diasporapolitik spielt. Allerdings ist zu hinterfragen, ob bei starkem Engagement der IOM, eine Ownership der Regierung für diasporapolitische Maßnahmen weiterhin gegeben ist. Darüber hinaus tragen wissenschaftliche Einrichtungen ebenfalls dazu bei, das Thema Diasporaförderung auf die politische Agenda zu setzen. Sie können insbesondere innerhalb demokratischer Strukturen an der Ausgestaltung der Diasporapolitik mitwirken. Ein Ergebnis dieser Untersuchung ist somit auch, dass diese Institutionen einbezogen werden sollten, um die Diasporapolitik eines Staates zu erklären. Nicht zuletzt, wird in der Dissertation auch deutlich, dass in der Betrachtung afrikanischer Diasporapolitik normative und idealistische Aspekte berücksichtigt werden müssen, da sie den Nährboden für Diasporapolitik bilden können.
Darüber hinaus offenbart sich in der Untersuchung die Notwendigkeit der differenzierten Bedeutung unterschiedlicher diasporapolitischer Maßnahmen. Diasporapolitische Maßnahmen, die mit politischen Rechten einhergehen, unterliegen stärker Interessengeleiteten Motiven, als das bei entwicklungsbezogener Diasporaförderung der Fall ist.