Hochschule Düsseldorf
University of Applied Sciences
Fachbereich Sozial- & Kulturwissenschaften
Faculty of Social Sciences and Cultural Studies

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Sozial- und Kulturwissenschaften / Offene Kinder- und Jugendarbeit, Praxis, Flüchtlingshilfe
18.07.2016

Praxis­bei­spiel Mo­bile School in der Of­fen­en Kin­der- und Ju­gen­dar­beit mit Ge­flüch­te­ten

​Die Mobile School – ein Beispiel aus dem Praxisprojekt „Sozialpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus geflüchteten Familien im Rahmen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“

​Nachdem sich anfangs mehr als 60 Studierende für das vorgezogene Praktikum im Rahmen der Flüchtlingsarbeit interessiert hatten sind dann zehn Studierende aus dem Studiengang PKF und 20 aus der Sozialen Arbeit übrig geblieben, die sich im Rahmen des Projekts in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Darüber hinaus gibt es aber noch weitere 20 Studierende, die sich selbst eine Praxisstelle gesucht haben, so dass sich insgesamt 50 Studierende unseres Fachbereichs im Rahmen unterschiedlicher Praktika in der Flüchtlingsarbeit einsetzen!

 

Praxisbeispiel Mobile School

 

Ein sehr interessantes Praxisbeispiel aus unserem Projekt ist die Mobile  School, ein aus der Entwicklungsarbeit stammendes mobiles Gefährt, das seit einigen Jahren beim Jugendamt der Stadt Düsseldorf im Einsatz ist. Die auf einem Anhänger installierten ausklappbaren Tafeln (vgl. Fotos) beinhalten Spiele aber Sprach- und Rechenübungen  und können thematisch gestaltet werden.

 

Geht man auf die Internetseite der Mobile School so sieht man die Einsatzorte in Südamerika und anderen Kontinenten. Als ich die Mobile School vor einigen Jahren kennenlernte konnte ich mir den Einsatz auch eher in Afrika im Rahmen einer Alphabetisierungskampagne in ländlichen Gebieten ohne flächendeckende Schulbildung vorstellen als in Düsseldorf. Dennoch ist die Mobile School seit einigen Jahren dort fester Bestandteil und wird u. a. vom städtischen Kinderspielhaus auf der Dorotheenstr. und der Jugendfreizeiteinrichtung an der Icklack eingesetzt. Die Mobile School wurde in Düsseldorf z. B. auch schon im Rahmen des Projektes Medienkompetenz auf Rädern in Flingern und anderen Stadtteilen genutzt. Am ehesten vergleichbar mit einem Spielmobil ist die Mobile School einem niedrigschwelliges Bildungskonzept verbunden, das auf spielerische Weise sehr unterschiedliche Kompetenzen fördert.

 

 

Zwei Praktikanten im Einsatz

 

Die beiden Studierenden Janine Fait und Timo Quast aus dem Studiengang PKF sind an der Icklack „gelandet“ und arbeiten im Rahmen ihres Praktikums intensiv mit der Mobile School. Hier ihr Bericht vom 30.06.2016:

 

„Mittwochs beginnt unser Einsatz mit einer kurzen Besprechung des Tagesablaufes. Danach begeben wir uns samt der Mobile School, eine fahrende Tafelkonstruktion mit allerlei Bildern, Spielen, Lern- und Knobelaufgaben, auf den Hinterhof eines Wohnblocks, in dem auch Familien mit Fluchterfahrung wohnen, in Düsseldorf Flingern. Die Mobile School beinhaltet verschiedenste Elemente zur Förderung kindlicher Kognition und bietet viele niederschwellige Kommunikationshilfen um mit Kindern, welche über Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache verfügen, in Kontakt zu treten. Darüber hinaus entwickeln die Kinder viele sportive und spielerische Angebote, die großen Zuspruch finden und von uns unterstützt und begleitet werden. Den Tag beenden wir mit einem Singkreis als Abschlussritual, anschließend reflektieren wir den Einsatz.

Donnerstags holen wir unbegleitete Minderjährige aus ihren Unterkünften ab und laden sie ein, den Tag mit uns, in der Icklack zu verbringen. Dort können sie die üblichen Angebote der Icklack als offene Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung nutzen. Darüber hinaus entwickeln wir Angebote um sie beim Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen.“

Max Lommel (auch FH-Absolvent!) leitet den Einsatz der Mobile School als Mitarbeiter der Jugendfreizeiteinrichtung an der Icklack (man sieht ihn auf den Fotos neben Timo und Janine agieren). Für die Arbeit  mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen ist die Mobile School ideal geeignet, weil sie auf sehr niedrigschwellige und animative Weise Sprache und Sprachkenntnisse spielerisch thematisiert: Auf einer Tafel müssen Begriffe Bildern zugeordnet werden, und hier entstand bei meinem Besuch ein reger Austausch darüber, wie die Worte Huhn und Ei in den verschiedenen Sprachen ausgesprochen werden.

 

Darüber hinaus ist die Mobile School einfach auch ein Magnet für die Kinder aus der Wohnanlage und über die Tafeln hinaus gibt es einen Fundus von Ballspielen, Gesellschaftsspielen, die entsprechend genutzt werden können. Hier wird deutlich, dass es tatsächlich niedrigschwellige Spielangebote sind, die den Kontakt herstellen lassen und dann das Medium der Mobile School nutzen um auch Bildungssituationen zu schaffen, die von den Prinzipien der Kinder- und Jugendarbeit wie Offenheit und Freiwilligkeit bestimmt werden.

 

 

Aspekte der Begleitforschung

 

In der Begleitforschung wird der Einsatz der Mobile School neben anderen Projekten untersucht,  dafür werden u.a. Interviews mit den Fachkräften durchgeführt. Eine Mitarbeiterin  aus dem Kinderspielhaus beschreibt die Wirkung des Einsatzes der Mobile School u. a. in dem Interview:

 

Ein weiterer Effekt der Mobile-School wäre gewesen, dass sich Konflikte, die teilweise zwischen alten und neuen Bewohner_innen des Viertels bestünden dadurch aufgelöst werden konnten. Die Kinder würden untereinander besser in Kontakt kommen, sowohl aus geflüchteten Familien als auch aus Familien, die bereits lange in der Strasse wohnen würden.

„Ich glaube, dass es dafür sorgt, dass man ein Ankommen-Gefühl hat, ein Willkommensgefühl und dass man noch mehr Teil dieses Stadtteils wird und, das ist jetzt ein bisschen hoch gesprochen, aber  auch dieser Gesellschaft.“

Für die Entwicklung der Offene Kinder- und Jugendarbeit geht es auch um eine Einschätzung der Mobile School als mobilem aufsuchendem Ansatz der Kinder- und Jugendarbeit im Vergleich zu anderen Ansätzen wie Spielmobilen etc. Im Vordergrund steht in solchen Projekten die Gestaltung von Settings im öffentlichen Raum und damit auch um die Initiierung von „Bildungsräumen“ so wie dies ansatzweise in der Mobile School passiert. Auch wenn nicht auf den ersten Blick erkennbar, sind die verschiedenen Tafeln der Mobile School, die auch thematisch ausgerichtet und entsprechend ausgetauscht werden können, anspruchsvoll didaktisiert, aber eben nicht im schulischen Sinne einer formellen Bildung, sondern eher im Sinne einer informellen Bildung, die durch eine „Ermöglichungsdidaktik“ versucht, Bildungssettings im öffentlichen Raum zu gestalten.

 

Herausforderung Flüchtlingsarbeit

 

In der Begleitforschung geht es u. a. um die Frage, wie die Offene Kinder- und Jugendarbeit auf die neue Herausforderung der Flüchtlingsarbeit reagiert, welche Veränderungen damit verbunden sind und welche Formate bzw. Konzepte auch neu entwickelt haben. Auch im Interview mit dem Leiter der Jugendfreizeiteinrichtung an der Icklack, Peter Saatkamp, wurde deutlich, dass Angebote und Fachkräfte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit für die meisten Geflüchteten völlig neu waren:

 

„Es war festzustellen, dass diese Art der Arbeit generell für war die meisten geflüchteten Jugendlichen neu war. Die haben am Anfang nicht so richtig verstanden, was wir hier eigentlich sind. Zum Teil wurde die Einrichtung mit dem Begriff „Schule“ verbunden und die Mitarbeiter als „Teacher“ bezeichnet. In einem Fall ging ein Jugendlicher davon aus, dass die Einrichtung eine Art Kette (wie Mc Donalds) ist, die es in ganz Deutschland gibt.“

Interessant war auch, wie die Jugendlichen die „Rolle“ der Mitarbeiter verstanden: Zunächst war festzustellen, dass sie sich bei den jeweiligen Betreuern an- bzw. abmeldeten (bspw.: wenn sie etwas essen gingen). Zudem zeigte sich, dass die Jugendlichen die Mitarbeiter der Kinder-und Jugendangebote als „Betreuer“ ansahen, welche ihnen auch bei anderen Themen (außerhalb der Freizeitangebote) helfen konnten (bspw.: wann Arzttermine sind oder wie lange Anträge dauerten). Für die geflüchteten Jugendlichen schien es problematisch zu sein, die betreuenden Personen zu unterscheiden, zum einen in Personen der Einrichtung und zum anderen zu Betreuern der Wohnunterkünfte.“ 

Im September sollen solche und ähnliche Themen in zwei Gruppendiskussionen mit den Fachkräften aus den Einrichtungen in unserem Projekt durchgeführt werden.

 

Auch wenn es viele Probleme gibt, fällt die Gesamteinschätzung der Herausforderung der OKJA durch Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien aus unserer Sicht positiv aus und ist eher mit Chancen als mit Problemen verbunden. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit ist der Bereich der Jugendhilfe, der durch seine Niedrigschwelligkeit, durch sein breites Methodenrepertoire, durch seine sozialräumlich an sehr unterschiedliche Bedingungen ausgerichteten Konzepte eine wichtige Funktion in der Inklusion der neuen Zielgruppen leisten kann. In der Übergangszeit, in der viele Geflüchtete noch nicht wissen, ob sie in Deutschland bleiben können und in der viele Ortswechsel stattfinden, ergeben sich aber auch erhebliche Probleme in der Realisierung der konzeptionellen Bausteine der OKJA.

 

Weiterführung des Projekt: Ausblick

 

So unklar die Flüchtlingspolitik und die damit verbundene weitere Entwicklung vor Ort auch ist, plant der Fachbereich dennoch eine Fortsetzung des Projekts, d. h. die Möglichkeit  der Vorverlegung des Praktikums besteht weiterhin und soll auch den im Wintersemester beginnenden Studierenden wieder angeboten werden. Das Jugendamt der Stadt Düsseldorf ist dabei unser wichtigster Kooperationspartner.

 

 

Literatur:

Amadeu Antonio Stiftung (2015): 15 Punkte für eine Willkommensstruktur in Jugendeinrichtungen,

https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/juan/15-punkte-plan_web.pdf, Zugriff: 25.12.2015

 

Deinet, Ulrich (2016): Offene Kinder- und Jugendarbeit mit Flüchtlingen: Herausforderung und Chance, Zeitschrift „deutsche jugend“ Heft 4/2016, S. 149-160, Weinheim

 

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