Die Mobile School – ein
Beispiel aus dem Praxisprojekt „Sozialpädagogische Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen aus geflüchteten Familien im Rahmen der Offenen Kinder- und
Jugendarbeit“
Nachdem
sich anfangs mehr als 60 Studierende für das vorgezogene Praktikum im Rahmen
der Flüchtlingsarbeit interessiert hatten sind dann zehn Studierende aus dem
Studiengang PKF und 20 aus der Sozialen Arbeit übrig geblieben, die sich im Rahmen
des Projekts in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Darüber hinaus gibt es aber
noch weitere 20 Studierende, die sich selbst eine Praxisstelle gesucht haben,
so dass sich insgesamt 50 Studierende unseres Fachbereichs im Rahmen
unterschiedlicher Praktika in der Flüchtlingsarbeit einsetzen!
Praxisbeispiel
Mobile School
Ein
sehr interessantes Praxisbeispiel aus unserem Projekt ist die Mobile School, ein aus der Entwicklungsarbeit
stammendes mobiles Gefährt, das seit einigen Jahren beim Jugendamt der Stadt
Düsseldorf im Einsatz ist. Die auf einem Anhänger installierten ausklappbaren
Tafeln (vgl. Fotos) beinhalten Spiele aber Sprach- und Rechenübungen und können thematisch gestaltet werden.
Geht
man auf die Internetseite der Mobile School so sieht man die Einsatzorte in
Südamerika und anderen Kontinenten. Als ich die Mobile School vor einigen
Jahren kennenlernte konnte ich mir den Einsatz auch eher in Afrika im Rahmen
einer Alphabetisierungskampagne in ländlichen Gebieten ohne flächendeckende
Schulbildung vorstellen als in Düsseldorf. Dennoch ist die Mobile School seit
einigen Jahren dort fester Bestandteil und wird u. a. vom städtischen
Kinderspielhaus auf der Dorotheenstr. und der Jugendfreizeiteinrichtung an der
Icklack eingesetzt. Die Mobile School wurde in Düsseldorf z. B. auch schon im
Rahmen des Projektes Medienkompetenz auf Rädern in Flingern und anderen
Stadtteilen genutzt. Am ehesten vergleichbar mit einem Spielmobil ist die Mobile
School einem niedrigschwelliges Bildungskonzept verbunden, das auf spielerische
Weise sehr unterschiedliche Kompetenzen fördert.
Zwei
Praktikanten im Einsatz
Die
beiden Studierenden Janine Fait und Timo Quast aus dem Studiengang PKF sind an
der Icklack „gelandet“ und arbeiten im Rahmen ihres Praktikums intensiv mit der
Mobile School. Hier ihr Bericht vom 30.06.2016:
„Mittwochs
beginnt unser Einsatz mit einer kurzen Besprechung des Tagesablaufes. Danach
begeben wir uns samt der Mobile School, eine fahrende Tafelkonstruktion mit
allerlei Bildern, Spielen, Lern- und Knobelaufgaben, auf den Hinterhof eines
Wohnblocks, in dem auch Familien mit Fluchterfahrung wohnen, in Düsseldorf
Flingern. Die Mobile School beinhaltet verschiedenste Elemente zur Förderung
kindlicher Kognition und bietet viele niederschwellige Kommunikationshilfen um
mit Kindern, welche über Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache verfügen, in
Kontakt zu treten. Darüber hinaus entwickeln die Kinder viele sportive und
spielerische Angebote, die großen Zuspruch finden und von uns unterstützt und
begleitet werden. Den Tag beenden wir mit einem Singkreis als Abschlussritual,
anschließend reflektieren wir den Einsatz.
Donnerstags
holen wir unbegleitete Minderjährige aus ihren Unterkünften ab und laden sie
ein, den Tag mit uns, in der Icklack zu verbringen. Dort können sie die
üblichen Angebote der Icklack als offene Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung
nutzen. Darüber hinaus entwickeln wir Angebote um sie beim Erlernen der
deutschen Sprache zu unterstützen.“
Max
Lommel (auch FH-Absolvent!) leitet den Einsatz der Mobile School als
Mitarbeiter der Jugendfreizeiteinrichtung an der Icklack (man sieht ihn auf den
Fotos neben Timo und Janine agieren). Für die Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen ist
die Mobile School ideal geeignet, weil sie auf sehr niedrigschwellige und animative
Weise Sprache und Sprachkenntnisse spielerisch thematisiert: Auf einer Tafel müssen
Begriffe Bildern zugeordnet werden, und hier entstand bei meinem Besuch ein
reger Austausch darüber, wie die Worte Huhn und Ei in den verschiedenen
Sprachen ausgesprochen werden.
Darüber
hinaus ist die Mobile School einfach auch ein Magnet für die Kinder aus der
Wohnanlage und über die Tafeln hinaus gibt es einen Fundus von Ballspielen,
Gesellschaftsspielen, die entsprechend genutzt werden können. Hier wird
deutlich, dass es tatsächlich niedrigschwellige Spielangebote sind, die den
Kontakt herstellen lassen und dann das Medium der Mobile School nutzen um auch
Bildungssituationen zu schaffen, die von den Prinzipien der Kinder- und Jugendarbeit
wie Offenheit und Freiwilligkeit bestimmt werden.
Aspekte
der Begleitforschung
In
der Begleitforschung wird der Einsatz der Mobile School neben anderen Projekten
untersucht, dafür werden u.a. Interviews
mit den Fachkräften durchgeführt. Eine Mitarbeiterin aus dem Kinderspielhaus beschreibt die Wirkung
des Einsatzes der Mobile School u. a. in dem Interview:
Ein
weiterer Effekt der Mobile-School wäre gewesen, dass sich Konflikte, die
teilweise zwischen alten und neuen Bewohner_innen des Viertels bestünden
dadurch aufgelöst werden konnten. Die Kinder würden untereinander besser in
Kontakt kommen, sowohl aus geflüchteten Familien als auch aus Familien, die
bereits lange in der Strasse wohnen würden.
„Ich
glaube, dass es dafür sorgt, dass man ein Ankommen-Gefühl hat, ein
Willkommensgefühl und dass man noch mehr Teil dieses Stadtteils wird und, das
ist jetzt ein bisschen hoch gesprochen, aber
auch dieser Gesellschaft.“
Für
die Entwicklung der Offene Kinder- und Jugendarbeit geht es auch um eine Einschätzung
der Mobile School als mobilem aufsuchendem Ansatz der Kinder- und Jugendarbeit
im Vergleich zu anderen Ansätzen wie Spielmobilen etc. Im Vordergrund steht in
solchen Projekten die Gestaltung von Settings im öffentlichen Raum und damit
auch um die Initiierung von „Bildungsräumen“ so wie dies ansatzweise in der Mobile
School passiert. Auch wenn nicht auf den ersten Blick erkennbar, sind die
verschiedenen Tafeln der Mobile School, die auch thematisch ausgerichtet und
entsprechend ausgetauscht werden können, anspruchsvoll didaktisiert, aber eben
nicht im schulischen Sinne einer formellen Bildung, sondern eher im Sinne einer
informellen Bildung, die durch eine „Ermöglichungsdidaktik“ versucht,
Bildungssettings im öffentlichen Raum zu gestalten.
Herausforderung
Flüchtlingsarbeit
In
der Begleitforschung geht es u. a. um die Frage, wie die Offene Kinder- und Jugendarbeit
auf die neue Herausforderung der Flüchtlingsarbeit reagiert, welche
Veränderungen damit verbunden sind und welche Formate bzw. Konzepte auch neu
entwickelt haben. Auch im Interview mit dem Leiter der Jugendfreizeiteinrichtung
an der Icklack, Peter Saatkamp, wurde deutlich, dass Angebote und Fachkräfte
der Offenen Kinder- und Jugendarbeit für die meisten Geflüchteten völlig neu
waren:
„Es
war festzustellen, dass diese Art der Arbeit generell für war die meisten
geflüchteten Jugendlichen neu war. Die haben am Anfang nicht so richtig
verstanden, was wir hier eigentlich sind. Zum Teil wurde die Einrichtung mit
dem Begriff „Schule“ verbunden und die Mitarbeiter als „Teacher“ bezeichnet. In
einem Fall ging ein Jugendlicher davon aus, dass die Einrichtung eine Art Kette
(wie Mc Donalds) ist, die es in ganz Deutschland gibt.“
Interessant
war auch, wie die Jugendlichen die „Rolle“ der Mitarbeiter verstanden: Zunächst
war festzustellen, dass sie sich bei den jeweiligen Betreuern an- bzw.
abmeldeten (bspw.: wenn sie etwas essen gingen). Zudem zeigte sich, dass die
Jugendlichen die Mitarbeiter der Kinder-und Jugendangebote als „Betreuer“
ansahen, welche ihnen auch bei anderen Themen (außerhalb der Freizeitangebote)
helfen konnten (bspw.: wann Arzttermine sind oder wie lange Anträge dauerten).
Für die geflüchteten Jugendlichen schien es problematisch zu sein, die
betreuenden Personen zu unterscheiden, zum einen in Personen der Einrichtung
und zum anderen zu Betreuern der Wohnunterkünfte.“
Im
September sollen solche und ähnliche Themen in zwei Gruppendiskussionen mit den
Fachkräften aus den Einrichtungen in unserem Projekt durchgeführt werden.
Auch
wenn es viele Probleme gibt, fällt die Gesamteinschätzung der Herausforderung
der OKJA durch Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien aus unserer Sicht
positiv aus und ist eher mit Chancen als mit Problemen verbunden. Die Offene
Kinder- und Jugendarbeit ist der Bereich der Jugendhilfe, der durch seine
Niedrigschwelligkeit, durch sein breites Methodenrepertoire, durch seine
sozialräumlich an sehr unterschiedliche Bedingungen ausgerichteten Konzepte
eine wichtige Funktion in der Inklusion der neuen Zielgruppen leisten kann. In
der Übergangszeit, in der viele Geflüchtete noch nicht wissen, ob sie in Deutschland
bleiben können und in der viele Ortswechsel stattfinden, ergeben sich aber auch
erhebliche Probleme in der Realisierung der konzeptionellen Bausteine der OKJA.
Weiterführung
des Projekt: Ausblick
So
unklar die Flüchtlingspolitik und die damit verbundene weitere Entwicklung vor
Ort auch ist, plant der Fachbereich dennoch eine Fortsetzung des Projekts, d.
h. die Möglichkeit der Vorverlegung des
Praktikums besteht weiterhin und soll auch den im Wintersemester beginnenden
Studierenden wieder angeboten werden. Das Jugendamt der Stadt Düsseldorf ist
dabei unser wichtigster Kooperationspartner.
Literatur:
Amadeu Antonio Stiftung (2015): 15 Punkte für eine
Willkommensstruktur in Jugendeinrichtungen,
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/juan/15-punkte-plan_web.pdf,
Zugriff: 25.12.2015
Deinet, Ulrich (2016): Offene Kinder- und Jugendarbeit mit Flüchtlingen:
Herausforderung und Chance, Zeitschrift „deutsche jugend“ Heft 4/2016, S. 149-160,
Weinheim