Pflegende Angehörige als Adressat_innen einer vorbeugenden Pflegepolitik:
Eine intersektionale Analyse |
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Hintergrund
Der Fokus der meisten Analysen vorbeugender Sozialpolitik richtet sich bislang auf Kinder und Jugendliche sowie Erwerbstätige. Dieses Forschungsprojekt stellt dagegen eine Adressat_innen-Gruppe ins Zentrum, welche bisher nur selten aus einer Präventionsperspektive betrachtet wurde: pflegende Angehörige. Sie sind bislang die tragende Säule der pflegerischen Versorgung in Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Im Sinne eines sozialpolitischen Präventionsgedankens ist es somit zentral, pflegende Angehörige darin zu unterstützen, häusliche Pflegearrangements möglichst lange und unter möglichst guten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Dabei geht es einerseits um die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Pflegebedürftigen, andererseits um die Vermeidung gesundheitsgefährdender Belastungen und (Armuts‑)Risiken der Pflegepersonen. Es gibt bereits eine Vielfalt an Studien aus unterschiedlichen Disziplinen zum Thema pflegende Angehörige. Viele davon betonen die Heterogenität dieser Personengruppe, die es zu verstehen gilt, um pflegende Angehörige sozialpolitisch möglichst gezielt präventiv zu unterstützen. Das geplante Projekt geht noch einen Schritt weiter. Es möchte nicht nur die gruppenspezifischen Bedarfe untersuchen, sondern stattdessen sollen pflegende Angehörige aus einer intersektionalen Perspektive betrachtet werden: die Wechselwirkungen der Differenzkategorien Geschlecht, soziale Schicht, Erwerbstätigkeit und Ethnizität werden fokussiert. Eine solche Herangehensweise bietet nicht nur die Möglichkeit, sozialpolitische Strukturen und Prozesse macht- und ungleichheitssensibel zu untersuchen, sondern kann auch als eine handlungswissenschaftliche Orientierung zur Konzeptionalisierung von Unterstützungsmaßnahmen und Sozialplanung dienen.
Erkenntnisinteresse und Fragestellungen
Das Forschungsprojekt will untersuchen, in welchen Herrschaftsverhältnissen sich pflegende Angehörige befinden und wie sie unter diesen Bedingungen die Pflegesituation bewältigen. Es wird davon ausgegangen, dass sich Pflegepersonen in ihren Bewältigungsstrategien und ihrem Nutzungsverhalten nach sozialen Differenzkategorien unterscheiden. Es soll zentral danach gefragt werden, welche Rolle die bestehenden Instrumente und Dienstleistungsstrukturen der Pflegepolitik bei dem Bewältigungshandeln spielen. Neben Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige sollen auch Hürden der Inanspruchnahme identifiziert werden.
Daraus ergeben sich die folgenden Fragestellungen:
- Wie entfalten sich die Wechselwirkungen zwischen den Differenzkategorien sozioökonomischer Status, Geschlecht, Erwerbstätigkeit und Ethnizität in einer Pflegesituation?
- Inwiefern bestehen differenzierte Beratungs- und Unterstützungsbedarfe je nach Merkmalskombinationen? Inwiefern zeigen sich strukturelle Versorgungslücken?
- Welche sozialen, betrieblichen und arbeitsrechtlichen Ressourcen nutzen pflegende Angehörige entlang dieser Kategorien und auf welche professionellen ambulanten Versorgungsstrukturen greifen sie zurück?
- Welche Bewältigungsstrategien lassen sich identifizieren?
Ziele
Ziel des Projektes ist es, neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen, das neu generierte Grundlagenwissen über pflegende Angehörige gesellschaftlich nutzbar zu machen. Es ist angedacht, ein Transferkonzept zum Aufbau eines differenzsensiblen Beratungs- und Unterstützungsangebots zu entwickeln, welches Kommunen in ihrer wachsenden Rolle in der Pflegepolitik unterstützen kann. Die Handreichung soll die ermittelten Bedarfe verschiedener Angehörigengruppen berücksichtigen und die praxisrelevanten Hemmschwellen der Inanspruchnahme überwinden.
Untersuchungsmethodik
- Qualitatives Vorgehen
- Leitfadengestützte Interviews mit pflegenden Angehörigen
- Strukturanalyse des Pflegesystems auf Bundesebene und in Nordrhein-Westfalen