Zu der fortgesetzten Infragestellung von Gender Studies / Geschlechterforschung in Medien und Politik hat der Fachbereichsrat Sozial- und Kulturwissenschaften, das Gender Diversity Action Team, die Antidiskriminierungsbeauftragte und der Leiter des Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Hochschule Düsseldorf (FORENA) Stellung genommen:
Stellungnahme anlässlich fortgesetzter öffentlicher Infragestellung von Gender Studies/Geschlechterforschung
Innerhalb seines sozialwissenschaftlichen Forschungsprofils im Allgemeinen sowie seinem besonderen Lehr- und Forschungsschwerpunkt auf Soziale Arbeit im Besonderen sind kritische Perspektiven auf Geschlecht als eine der zentralen Kategorien sozialer Ungleichheit fester Bestandteil der Forschungs- und Lehraktivitäten im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Düsseldorf. Viele dieser Theorieansätze und Methoden haben ihren Ursprung in der Wissensproduktion sozialer Bewegungen und anderer Formen der Politik ‚von unten’ und wurden bzw. werden wissenschaftlich weiterentwickelt und differenziert.
Im Mittelpunkt der Analysen sozialer Ungleichheiten und gesellschaftlicher Verhältnisse stehen die dafür in einschlägigen Forschungsdiskussionen als bedeutsam erachteten Kategorien Geschlecht, Klasse, race, ethnische Herkunft, Religion, Alter, Beeinträchtigung, Sexualität oder andere Zuschreibungen, die auch in ihren Verwobenheiten und ihrer wechselseitigen Bedingtheit untersucht werden. Dass diese Kategorien und Zuschreibungen im Alltagsleben der Menschen häufig als ‚natürlich‘ oder als selbstverständlich gegeben vorausgesetzt werden, stellt dabei eine wichtige Grundannahme sozialwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung dar. Aus dieser wissenschaftlich begründeten Perspektive werden in der Lehre und Forschung gängige Alltagsvorstellungen, so auch jene der von der Natur gegebenen Zweigeschlechtlichkeit, kritisch beleuchtet und im Hinblick auf die damit verbundenen Konsequenzen für soziale Ungleichheit grundlegend hinterfragt.
Wir solidarisieren uns mit Aktivist*innen und Kolleg*innen der Geschlechterforschung, die fortgesetzt – und teilweise auch gewaltförmigen – Angriffen ausgesetzt sind, die im bürgerlichen Feuilleton sowie durch rechtspopulistische und rechtsextreme Stimmen geführt werden.
Beschluss des Fachbereichs Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Düsseldorf am 13.12.2017
Forschung zur extremen und populistischen Rechten – ohne Geschlechtertheorie undenkbar
Wie in anderen wissenschaftlichen Forschungsfeldern gilt auch beim Beschreiben, Analysieren und Erklären von Phänomen wie der extremen Rechten, des Rechtspopulismus oder auch von autoritären und nationalistischen Denkmustern und Praktiken, dass diese Forschung im Laufe der Zeit Innovationen aufgenommen hat, um ihrem Untersuchungsgegenstand besser gerecht werden zu können. Im o.g. Forschungsfeld ist die Berücksichtigung und systematische Integration geschlechtertheoretischer Perspektiven seit den 1980er Jahren eine solche Erneuerung und Weiterentwicklung gewesen. Ob hinsichtlich der Beschreibung und Erklärung von Einstellungsmustern, politischen Programmatiken oder der Gewaltpraxis – dies alles lässt sich nicht angemessen verstehen ohne geschlechtertheoretische Perspektiven und Ansätze.
Die Angriffe auf die Geschlechterforschung/Gender Studies sind maßgeblich getragen von einer Weltsicht, in der maßgeblich Biologismen als Begründung einer angeblich wesenhaften Unterscheidung der Geschlechter angeführt werden. Sie sind vielfach motiviert vom Interesse der Verteidigung heteronormativer Geschlechterarrangements als gesellschaftlicher Norm und bedienen damit Paradigmen der Ungleichwertigkeit der Geschlechter. In den Angriffen auf die Geschlechterforschung/Gender Studies finden sich so nicht zufällig Stimmen der gesamten politischen Rechten zusammen.
Prof. Dr. Fabian Virchow
Leiter des Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Hochschule Düsseldorf (FORENA)
Düsseldorf, 18.12.2017